Keimfähigkeit europäischer Orchideen in Abhängigkeit von Alter und Lagerung des Samens

Keywords:
Orchidaceae;  Anacamptis pyramidalis,  Barlia robertiana, Comperia comperiana,   Cypripedium  calceolus,   Dactylorhiza  cruenta,  D. incarnata, D. maculata, D. majalis, D. praetermissa, D. sambucina, D.  sphagnicola,  Goodyera repens, Himantoglossum hircinum, Nigretella nigra,  Ophrys apifera,  O.  cretica,  O.  sphegodes, Orchis militaris,  O.  morio,  O.  papilionacea,  O. purpurea, Spiranthes aestivalis, S.  spiralis.  -  Keimungsversuche.
Zusammenfassung:
Berichtet  wird  über die Abnahme der Keimfähigkeit einiger  europäischer Orchideenarten verursacht durch längere Lagerung.
 

Im  Jahr  1995 standen mir Samenportionen  derselben  kultivierten Mutterpflanzen  aus  vier Erntejahren  zur asymbiotischen  Aussaat zur Verfügung (siehe Liste). Nach ihrer Ernte wurden die Samen getrocknet, von Fremdbestandteilen mittels einer Nadel gesäubert und in jeweils drei gleich große Portionen geteilt.  Gelagert  wurden die Samen in luftdurchlässigen Papiertüten sowohl
                 - bei Raumtemperatur   (18° - 25° C)          als auch
                 - im Kühlschrank          (0° - 5° C)              und
                 - im Gefrierschrank       (-18° C).

Die zur Kältelagerung bestimmten Samentüten wurden zur Vermeidung von „Schimmelbefall“ zusätzlich in dicht schließende  Gefäße  über Trockengel gegeben.
Bei  der Desinfektion mit NaOCl vor der sterilen Aussaat fiel auf, dass  die Einwirkzeiten der Desinfektionslösung zur  Erzielung  des gleichen Blondierungseffektes um so mehr erhöht werden mussten,  je älter die Samen bereits waren.  Bei drei Jahre alten Samen lag der Verlängerungsfaktor bei der Desinfektion bei circa  1,3.  (Bleicht man  nicht  so lange bis das der Samenkern  sichtbar  ist,  keimen europäische Orchideen nur in Ausnahmefällen.)

Mit  Ausnahme der Desinfektionszeiten waren die übrigen  Versuchsbedingungen konstant.
Die  Keimung länger gelagerten Saatgutes verzögerte sich deutlich.
So keimten z.  B.  die getesteten Ophrysarten als frisches Saatgut nach circa 14 Tagen,  als vorjähriges Saatgut nach 6  Wochen,  als zwei Jahre altes Saatgut aber erst nach drei bis vier Monaten.

Auch  die Entwicklung nach der Keimung wurde signifikant durch das Alter der Samenproben beeinflusst.  Während sich alle Aussaaten des Erntejahres  1995 nach der Keimung zügig  weiterentwickelten,  war bei  Keimungen  von Saatgut aus früheren Erntejahren gut zu  beobachten,   dass   die   Weiterentwicklung  der  Protokorme   um   so schleppender verlief,  je länger die Samen bereits gelagert waren. Dies führte im schlechtesten Fall dazu,  dass die kümmernden Protokorme  abstarben.  Ein solches Keim- und Entwicklungsverhalten ist in  der Tabelle als „nicht gekeimt“ (0) ausgewiesen und wurde  bei Barlia,  Ophrys  ssp.  und beiden Spiranthesarten des  Erntejahres 1993 und bei Goodyera repens des Erntejahres 1994 in jeweils  allen Lagerungsvariationen beobachtet.
Da  sowohl die Keimrate der Orchideensamen als auch die  Vitalität der Protokorme im Laufe der Zeit, selbst unter optimaleren als den natürlichen Bedingungen,  signifikant abnehmen, sollte man zum Erhalt von Orchideenpopulationen kontinuierlich Aussaaten betreiben. Die  Aussaat  von Orchideensamen erscheint später als  drei  Jahre  nach der Ernte nicht mehr sinnvoll. Wie  sich die Lagerung von Orchideensamen in einer Ultra-Tiefkühltruhe  bei –60° bis –110° C oder in flüssigem Stickstoff  auf  die Keimfähigkeit und anschließende Vitalität der Protokorme auswirkt, konnte ich nicht untersuchen.
 
 

Art 1992 1993 1994 1995
    RT     0-5°     -18°  RT     0-5°     -18°  RT     0-5°     -18°  ---
Anacamptis pyramidalis (L.) L. C. Rich.   0         0        0   10      10      10  100    100     100  100
Barlia robertiana (Loisel.) W. Greuter  0        0          0  0       0       0 5      5       5 100
Comperia comperiana (Steven) Aschers & Graebne   10       10       10 50      50      50 100    100     100 100
Cypripedium calceolus L.  1        1         0  5       5       5  100    100     100 100
Dactylorhiza cruenta (O.F.Mueller) Soo 0        0         1  0      10      10 10     50       80 100
Dactylorhiza incarnata (L.) Soo 0        0          0 0       0       0 5     50       50 100
Dactylorhiza maculata (L.) Soo    nicht: fuchsii  0        0          0 0       0       0 1     50       50 100
Dactylorhiza majalis (Reichenb.) P.F. Hunt & Summerh .  0        0          0 0      10      10 10     50       50 100
Dactylorhiza praetermissa (Druce) Soo   nicht:var. jun. 0        0          0  0       0       0  5     50       50 100
Dactylorhiza sambucina (L.) Soo 0        0          0  0       0       0 0      0        10 100
Dactylorhiza sphagnicola (Höppner) Soo 0        0          0 1       1      10  50     50       80 100
Goodyera repens (L.) R. BR 0        0          0  0       0       0  0      0       10 100
Himantoglossum hircinum (L.) Sprengel 0        0          0 10       0       0 20      0        0 100
Nigritella nigra (L.) Kirschl. 0        0          0  0       0       0 10     10      10 100
Ophrys apifera Huds.  0        0         0  0       0       0  90     90      90 100
Ophrys cretica (Vierh.) E. Nelson 0        0          0  0       0       0 70     50      50 100
Ophrys sphegodes Mill 0        0          0  0       0       0 50     60     50 100
Orchis militaris L.   10       10       10 50      50      50 80     80     80 100
Orchis morio L.  10       10       10 50      50      50 100    100     100 100
Orchis papilionacea L.  5       10       20 20       50      80 100    100     100 100
Orchis purpurea Huds.  0        0        10 0      20      50 50     80    100 100
Spiranthes aestivalis (Poir.) L.C. Rich  0        0          0  0       0       0 10     30      50 100
Spiranthes spiralis (L.) Chevall. 0        0          0  0       0       0 50     50      50 100
Serapias nurrica Corrias 7-jährige Lagerung RT = 30%ige Keimung*    
Serapias perez-chiscanoi C. ACEDO 7-jährige Lagerung RT = 50%ige Keimung*    

*Neues Ergebnis

 Veröffentlicht in AHO Berichte NRW 13 (2):67-69
 

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